Donnerstag, 29. Oktober 2015

Redebeitrag Campus Grüne & Offene Linke Hochschulgruppe

Wir, die Offene Linke Hochschulgruppe und die Campus Grünen, sind schon länger gezwungen, uns mit Korporationen auseinander zu setzen. Immer wenn die Korpos sich angegriffen fühlen, wird uns gesagt, wir differenzierten nicht richtig. Das ist Unsinn. Landsmannschaften, Corps, Burschenschaften, Turnerschaften, musischen, christlichen und sonstige Verbindungen teilen sich Ideal und Traditionen, die zwischen Konservatismus und Rechtsradikalmus stehen und die wir ablehnen.
Alle Kieler Verbindungen pflegen die schrittweise Aufnahme, die mit der Fuchsenzeit anfängt und nach einem Jahr als Aktiver endet. Diese Zeit wird von den Verbindungen genutzt, um die Anwärter*innen nach ihren Prinzipien zu formen. Die Anwärter*innen sind den anderen Mitgliedern ihrer Verbindungen nicht gleichgestellt, sondern sind als Befehlsempfänger*innen Mitglieder zweiter Klasse.
So wird der konservative Konsens erhalten und gleichzeitig als „natürlich“ verdeckt. Die vielfachen rituellen Handlungen der Aufnahme und des Zusammenlebens ersetzen einen offenen politischen Umgang mit den gemeinsamen Werten, zu denen unter anderem „Treue“, „Tradition“ und „Liebe zum Vaterland“ zählen. Die ideologische Weltanschauungsgemeinschaft reproduziert sich im alltäglichen Zusammenleben. Von Pluralität von Meinungen und Werten kann keine Rede sein.
Die Kieler Burschenschaften und Corps pflegen weiterhin eine obskure Blutsgemeinschaft, die durch ritualisiertes Fechten, die sogenannte Mensur, aufrecht erhalten wird. Der gegenseitige Angriff auf die körperliche Integrität des Anderen soll angeblich charakterliche Stärke fördern und „ehrenreinigend“ sein. Die Mensur ist das krasseste Mittel zur Disziplinierung von pflichtschlagenden Verbindungen. Die Forderung nach der Aufgabe der eigenen körperlichen Unversehrtheit als Treuebeweis ist ein Ritual von Männlichkeits- und Gewaltkulten.
Männlichkeitsrituale sind ein fester Bestandteil korporierten Zusammenlebens. Wohl in keinem anderen Männerbund hat sich der militärisch-politische Kern des Männlichkeitsentwurfes so erhalten wie in den studentischen Korporationen. Lediglich 2 von 17 Kieler Verbindungen nehmen alle Geschlechter auf. Dafür werden sexistische Stereotype über Geschlechter bemüht, die biologistische Erklärungen für soziales Verhalten propagieren. Es ist für uns unbegreiflich, dass Verbindungen, die offensichtlich Gruppen wegen ihres Geschlechts abwerten und ausschließen, weiterhin von der Universität als studentische Vereinigungen anerkannt werden.
Viele kieler Verbindungen werben mit Kontakten ihrer „Alten Herren“ in der Wirtschaft und versprechen gute Karrierechancen nach dem Studium. Tatsächlich gelingt hier manchen ein System aus Seilschaften, über die sich verschiedene Positionen in Politik und Wirtschaft gegenseitig zugeschachert werden. Das sonst von ihnen propagierte „Leistungsprinzip“ soll nachher nicht für die Korpos selbst gelten. Der von ihnen beschworene Wettbewerb, bei dem es angeblich nur auf individuelle Leistung ankäme, wird umgangen, um gesellschaftliche Schlüsselpositionen zu besetzen. Das ist undemokratisch, elitär und festigt bestehende Herrschaftsstrukturen!
Viele Kieler Verbindungen stellen sich in eine Reihe mit den bürgerlichen Freiheitskämpfen um 1848 und übersehen dabei den agressiven Nationalismus, der das eigentliche Bindeglied war. In dieser Tradition stilisieren sich sich Verbindungen wie die Teutonia, der VDSt, die Alemannia und viele weitere als Opfer der Nationalsozialisten. Bis heute weichen diese Verbindungen einer Auseinandersetzung mit ihrer Rolle im Nationalsozialismus aus. Die Kieler Verbindungen waren vielfach an vorderster ideologischer Front der rechtsradikalen Studierenden, schon lange vor dem Nationalsozialismus stark antisemitisch und förderten das Engagement ihrer Mitglieder in NS-Organisationen. Der Verein Deutscher Studenten gründete sich 1880 nach der Antisemitenpetition als antisemitischer Kampfverband. Die Teutonia Kiel empfahlen bereits 1931 ein Engagement im NS-Altherrenverband und schlossen Menschen aus, die sie für jüdisch hielten. Nirgends setzt sich die Teutonia mit dieser Vergangenheit auseinander. Setzen die Verbindungen sich nicht mit ihrer Geschichte auseinander, werden sie weiter ihre autoritären bis faschistoiden Grundwerte unter der Flagge der sogenannten „bürgerlichen Freiheit“ in die Gesellschaft tragen.
Alle Burschenschaften, alle Corps und die meisten anderen Verbindungen feiern ihren eigenen Nationalismus als „Vaterlandsprinzip“, demnach die deutsche Kultur und Sprache zu pflegen sei. Es findet eine deutschnationale Überhöhung des eigenen imaginierten Kollektivs statt, das andere abwertet. Die penetrante Liebe der eigenen Heimat und eine angebliche deutsche Kultur konstruieren erst das Andere, gegen das die Nationalisten sich abgrenzen. Hier und durch ihre sexistischen Prinzipien sind die konservativen Verbindungen besonders anschlussfähig an rechtsradikale Einstellungen.
Egal, ob die auf dem heutigen Festkommers hier im Kieler Schloss feiernden Verbindungen alle Geschlechter aufnehmen, sich antiautoritär oder liberal geben. Sie alle feiern gemeinsam mit dem rechtsradikalen Spektrum der Kieler Verbindungsszene. Sie beweisen, dass sie zu einem Bruch mit ihren Traditionen nicht fähig sind und diesen auch gar nicht wollen!
Sexismus, Nationalismus und Klassismus werden immer Teile des Verbindungsdenkens sein. Wir werden dieses Denken offen legen und angreifen. Heute, und wann immer es nötig ist!

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